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Mein Hahn

 Von Spozhmai Zaryab

 

Übertragen aus dem Farsi-Dari von Kawa Ahang

1. Teil

 

2. Teil

 

letzte Teil

 

-  Was macht sie? ! Was macht sie?! Mein Bruder wiederholte gebrochen:

-  S...ie... ma...lt... g...gut...

Ich wusste nicht, was an dem Satz meines Bruders war, das unseren Verwandten so sehr verärgerte.

-  Sie malt?!

Er zielte mit seinem Zeigefinger auf mich und fragte:

-  Sie malt? ! Was malt sie? Was malt sie? Mein Bruder sagte mit geneigtem Kopf:

-  Sie malt alles.

Unser Verwandte schüttelte seinen Kopf, und sagte:

-  Teufelswerk lernt sie... Dann schaute er mich böse an und fragte:

Lernst du das Teufelswerk, ja?

Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Ich sah nach unten auf den Teppich. Ich verstand die Beziehung zwischen dem Teufel und mir nicht. Ich hatte Angst vor dem Teufel. Ich bekam vor mir selbst Angst und schaute hilflos zu meiner Mutter. Meine Mutter war in ihrem weißen großen Tschaddor verschwunden... Es kam mir vor, als hörte ich die Stimme des Verwandten aus sehr weiter Entfernung. Er sprach vom Teufel. Er redete von Jenseits und von dieser Welt...

Er erzählte noch, dass irgend wann mal, irgend eine Frau einen Mann überredete, einen Apfel zu essen, und deswegen war unser Verwandter aus dem Paradies vertrieben worden... Obwohl unser Verwandter das Paradies geliebt hatte, denn dort hatte es Milch und Honig in Unmengen gegeben, und er war von hübschen Jungfrauen und Jungs, die ewig jung gewesen waren, umgeben, dass ich nicht wusste, was er mit denen gemacht hatte... Aber die eine Frau war daran schuld gewesen, dass sie den Befehl vom Teufel ausgeführt hatte...

 

Unser Verwandter war sehr verärgert. Sein Gesicht zitterte. Seine Halsadern waren angespannt und blau geworden. Er war am Schreien. Seine Sätze schlugen wie eine Peitsche auf mich. Ich wollte meine Ohren mit den Händen zudecken. Aber seine bösen Blicke nahmen mir die Kraft weg, mich überhaupt bewegen zu können. Ich guckte zu meiner Mutter, in deren Augen Wut und Hass zu sehen waren. Mir schien es, als wäre meine Mutter mit jedem Satz des Verwandten kleiner und kleiner geworden und ihre Augen größer und größer. Der Befehl des Verwandten erschreckte mich:

-  Geh, und bring mir deine Zeichnungen.

Ich stand auf. Die Maulbeeren fielen aus meiner Hand. Ich ging vor den erstaunten Augen meiner Mutter und meines Bruders zum Schrank, machte dessen Tür auf und nahm alle meine Zeichnungen aus dem Schrank.

Meine Hände zitterten. Die Blätter in meinen Händen zitterten auch und machten ein Geräusch. Das Geräusch reflektierte merkwürdig in meinem Kopf. Es kam mir vor, als hätten meine Zeichnungen Angst gehabt. Meine Knie zitterten. Ich dachte, dass ich das zitternde Geräusch meiner Knien hörte...

Ich legte meine Zeichnungen vor ihm hin und stand fast zitternd da. Mir schien es, als wäre ich kleiner geworden. Unser Verwandter schaute sich meine Zeichnungen eine nach der Anderen an und fragte:

-  Was ist das?

-  Eine Kuh...

-  Was ist das? Ein Pferd...

-  Was ist das?

-  Ein Reh...

Was ist das? Eine Katze...

Für einen kurzen Moment bewegte sich das Bild des guten, heiligen Mannes mit abgeschnittener Tracht und verschwand wieder.

Der Gesichtsausdruck des Verwandten wurde immer düsterer und düsterer. Seine Halsadern wurden immer dicker. Seine Gesichtsmuskeln wurden angespannter. Er sah meine Mutter an und sagte:

-  Wisst ihr, wo das endet? Und er antwortete selbst:

-  Zorn Gottes... Zorn Gottes... Diese Lebewesen zu malen!

Ich bekam Angst vor Gott und vor seinem Zorn. Ich wollte mich irgendwo verstecken, damit mich der Gott nicht sieht, nicht findet...

Unser Verwandter sah wieder meine Mutter an und sagte verärgert:

- Diese Lebewesen werden sie am Jüngsten Tag anklagen und sagen: Du hast uns gemalt, jetzt gib uns noch das Leben... Kann sie das?

Das Kopftuch meiner Mutter bewegte sich- Sie sagte ganz leise ,,nein", so dass nur sie selbst das hörte.

Ich starrte meine Zeichnungen an. Alle kamen mir hässlich vor. Es kam mir vor, dass ich eines Tages von all diesen missgebildeten Wesen umgeben sein werde. Von den missgebildeten, hässlichen Kühen, Pferden, Katzen.... Ich war sehr erschrocken. Unser Verwandter hob das Blatt mit dem Hahn hoch, dessen Farben für einen Moment meine Augen erfüllten. In diesem Moment vergaß ich unseren Verwandten, seinen Zorn, mich selbst, und meine Angst. Die Stimme unseres Verwandten erschütterte mich wieder:

- Schnell! Streichholz... Streichholz...

Ich machte mich wie ein vorprogrammierter Mensch auf den Weg. Ich machte den Schrank auf, nahm die Streichhölzer, kam zurück und gab sie unserem Verwandten.

Unser Verwandte stand auf, eilte aus dem Zimmer zum Hof, mein Bruder folgte ihm mit fast weinenden Augen. Meine Mutter ging ihnen auch nach.

Ich stand noch fassungslos mitten im Zimmer. Auf einmal fing ich an zu laufen und kam bei ihnen an...

Unser Verwandter legte die Blätter Eins auf das Andere und zündete ein Streichholz an. Ich weiß nicht, warum ich erschrak und die Augen schloss, als ich das gelbe Feuer des Streichholzes sah.

Es roch nach verbranntem Papier. Ich machte meine Augen auf, sah den Hahn, sah die Farben: Dunkelblau, hellblau, dunkelrot, hellrot, Mischungen aus Blau und Rot, lila in verschiedenen Farbtönen...

Als ich meine Augen aufmachte, sah ich nur noch die Asche meiner Zeichnungen. Ich schaute zum Himmel hoch, damit meine Tränen nicht hinunter liefen. Große, weiße Wolken bewegten sich am Himmel. Sie schlossen sich aneinander, sie gingen auseinander und schlossen sich wieder aneinander... Für einen Moment kam es mir vor, als nähmen die Wolken die Form der abgeschnittenen Tracht des guten heiligen Mannes an.

 

*********

 

Meine Tochter rief mich. Wieder ging ich wie ein vorprogrammierter Mensch in den Flur. So wie ich ging, roch ich irgend etwas Verbranntes. War es der Geruch meines verbrannten Hahnes aus dem Jenseits oder der von meiner Verbrennung in dieser Welt? Ich wusste es nicht. Auf einmal schien es mir an diesem Abend, als würde im Himmel die abgeschnittene Tracht des guten, heiligen Mannes Flüchten.

 

 

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1. Jahr                                   4.                       1. hälfte     Mai  2005